Der andere Garten

Francis Wyndham (aus dem Englischen von Andrea Ott)


Nachdem ich mich wochenlang wie blockiert gefühlt und keinen Zugang zu einem Buch gefunden habe, ist die Freude über das Eintreffen von „Der andere Garten“ groß gewesen. Klein und fein – oder besser gesagt dünn und übersichtlich – ist mir der Roman ideal erschienen, mich wieder dem Geschriebenen zuzuwenden. Doch leider habe ich mich richtig bemühen müssen, während des Lesens bei der Sache zu bleiben. Schuld daran ist aber mit Sicherheit nicht die Eleganz Francis Wyndhams, sondern eher meine momentane Gemütsverfassung. Irgendwann werde ich „Der andere Garten“ noch einmal lesen müssen.

An diesem Punkt meiner Buchbesprechungen stelle ich gerne die handelnden Personen vor. Schwierig im aktuellen Fall – ich weiß nicht, wie der Ich-Erzähler heißt, und das liegt denke ich nicht daran, dass ich beim Lesen etwas unaufmerksam war. Auf jeden Fall erzählt uns ein junger Mann etwas aus seinem Leben in England Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts.

Auch die Handlung des Romans lässt sich kaum beschreiben, denn Francis Wyndham schildert Episoden aus dem Alltag des heranwachsenden Jünglings. Wie dieser zum Beispiel Wehrdienst leistend Wache schiebt oder sich in Lady Connies Lazarett-Villa nicht und nicht von einem gebrochenen Knöchel erholt. Wie er Briefe von dem an Schwindsucht leidenden Freund und Kunststudenten Dennis Bellamy aus dem Krankenhaus bekommt oder wie Tante Dodo nicht nur vorübergehend in Love’s Cottage im anderen Garten – dem auf der anderen Seite der Straße – einzieht.

Am meisten allerdings erfährt man über Kay. Sie ist die ungeliebte Tochter der Demarests – einer etwas speziellen Familie in der Nachbarschaft. Sybil und Charlie sind geschieden, leben aber zusammen in einem Haus am Land. Schuld an diesem zu ertragenden Zustand ist der Mangel an Geld – an der Börse gemacht war es plötzlich wieder verloren. Sandy, Kays jüngerer Bruder, ist nicht nur Jungschauspieler von der Sorte Schönling sondern auch noch Kriegsheld und erklärter Liebling eigentlich aller, die ihn kennen lernen. Und Kay, ja Kay ist 35, unverheiratet, chronisch antriebslos, von ihren Eltern eher schlecht als recht geduldet und liebt es, in der Sonne zu liegen.

Zwischen Kay und dem jungen Ich-Erzähler entwickelt sich eine Freundschaft, die auf den ersten Blick eigenartig anmutet. Beide sind Außenseiter, die nirgendwo so recht hinpassen, die aber lernen, sich gegenseitig zu vertrauen. Dass Kay 15 Jahre älter ist als ihr junger Freund, würzt die Geschichte zwar mit etwas Skurrilität, tut aber wegen ihres kindlichen, fast naiven aber dann doch wieder abgebrühten Wesens nichts zur Sache.

„Der andere Garten“ ist trotz meiner Konzentrationsprobleme schnell gelesen gewesen, denn die Geschichte ist leicht wie ein Schmetterling, der geschwind vorbeiflattert, aber doch ein bisschen die Seele berührt.


Lieblingszitat:
„Ich fühle mich wie ein Paket mit dem Stempel ‘Unzustellbar – zurück an den Absender’, und zwar ein ziemlich ramponiertes. Oder als wäre ich aus einem Gefängnis oder einer Klapsmühle oder so bedingt entlassen worden, auf Bewährung oder wie das heißt.“
                                                                 

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