Rausch

John Griesemer (Deutsch von Ingo Herzke)


Was soll ich über dieses Buch schreiben? Normalerweise habe ich keine Probleme damit, mir eine Meinung zu einem Buch zu bilden, aber „Rausch“ von John Griesemer ist irgendwie komisch. Ist die Geschichte der Verlegung des transatlantischen Telegraphen-Kabels im 19. Jahrhundert doch spannend, und die vielen, im Buch beschriebenen Charaktere sind wirklich interessant, aber so richtig glücklich war ich mit diesem Buch trotzdem nicht. Vielleicht weil es mir ging wie beim Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten-Schauen: Man will immer wissen, wie es weitergeht, aber befriedigt ist man nie.



Chester Ludlow ist einer der leitenden Ingenieure bei der Verlegung des transatlantischen Telegraphen-Kabels, das Europa und Amerika miteinander verbinden soll. Dieser Job trennt ihn von seiner Frau Franny, die in Amerika bleibt, während Chester des Kabels wegen nach England geht.  Er lernt die Musikerin Katerina Lindt kennen und verliebt sich in sie, obwohl auch Katerina verheiratet ist. Das Drama nimmt – neben dem des Kabels, dessen Verlegung nicht und nicht gelingen will – seinen Lauf.

„Rausch“ erzählt aber nicht nur die Geschichte von Chester, Franny und Katerina, sondern auch noch von vielen anderen Personen, deren Leben das Kabel verändert hat: Katerinas Mann, Joachim Lindt, ein Österreicher, der mit der Leidenschaft Joggen seiner Zeit voraus ist und zuerst als „Der Läufer“ in London zu zweifelhaften Ruhm, später aber als Beseitiger des großen Gestanks zu Ehren kommt. Jack Trace, dessen bissige, satirische Zeichnungen des Geschehens der Zeit die Auflagen der Londoner Zeitungen steigen lassen, und der dann als Dokumentarist bei der Kabel-Verlegung dabei ist. Oder Otis Ludlow, Chesters Bruder, unglücklicher Weltenbummler, der unter in der Familie Ludlow verbreiteten epileptischen Anfällen leidet und seine Nichte Betty sterben sieht.

Dieses Buch ist vielschichtig. Aber hunderte kleine Geschichten wollen sich nicht recht zu einem großen Ganzen fügen, sondern tingeln eher wie Episoden einer Seifenoper hintereinander her.

So findet „Rausch“ zwar zu einem Ende, das mir aber ein leicht enttäuschtes „Aha“ entlockt hat. Rausch war’s keiner, aber die 3 Euro 95 die ich für das Wühltisch-Exemplar ausgegeben habe, war’s allemal wert.


Lieblings-Zitat:
„Die Größe des Schiffes war atemberaubend. Noch nie hatte Trace etwas Derartiges gesehen – und dabei war er während des Baus unzählige Male auf der Werft gewesen. Aber jetzt an Deck zu stehen, während das Schiff den Fluss hinab ins offene Meer fuhr, gab einem das Gefühl, auf einem Stück Land zu stehen, das von der großen Insel abgebrochen war und auf See hinaustrieb.“
                                                 

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