Anatomie einer Affäre

Anne Enright
(aus dem Englischen von  Petra Kindler und Hans-Christian Oeser)

Ich weiß nicht genau, was ich von „Anatomie einer Affäre“ halten soll. Als ich das Buch entdeckt habe, bin ich ganz gierig gewesen, es zu lesen. Und was ist geblieben? Jetzt, zwei Wochen, nachdem ich es ausgelesen habe, kann ich mich kaum mehr an das Ende erinnern. Aber ich glaube nicht, dass das an dem Buch liegt. Wohl schon eher an mir und meiner Kunst des Verdrängens.



Gina lebt in Enniskerry, einer kleinen Stadt in Irland. Sie ist jung, glücklich und verliebt. Verliebt in Connor.

Auf einer Gartenparty ihrer Schwester Fiona sieht sie ihn zum ersten Mal – Seán Vallely. Schon bei der ersten Begegnung mit ihm (und seiner Frau Aileen und seiner Tochter Evie), ist da etwas, das Gina nicht benennen kann. Etwas, dem sie aber auch keine große Bedeutung beimisst. Schließlich ist sie verliebt.

Jahre später – Gina und Connor haben geheiratet – treffen sich Gina und Seán wieder. Er hat als Berater bei ihr in der Firma zu tun. Und das, was da schon von Anfang an war, entwickelt sich. Sie flirten, gehen manchmal zusammen etwas trinken, beginnen, sich aufeinander zu freuen, jeden Tag ein bisschen mehr. Und irgendwann kommt es zu dem, was unausweichlich ist: Sie schlafen miteinander.

Was dann passiert, kennt jeder, der so etwas schon einmal erlebt hat. Zuerst versuchen die beiden, sich dagegen zu wehren. Schließlich sind sie beide verheiratet. Sie schaffen es aber nicht und es entspinnt sich eine leidenschaftliche Affäre.

Und dann, am Ende – eine Affäre hat immer ein Ende – passiert das, was laut aller Frauenzeitschriften in Affären so gut wie nie passiert: Seán verlässt Frau und Kind. Aber nicht so wie man sich das als verletzliches, lesendes, Happy-End-herbeihoffendes Mädchen wünscht. Nicht mit Bomben und Granaten voller Liebe und Leidenschaft für Gina. Nein. Erst nach Jahren, die beide zermürbt haben. Und man hat das Gefühl, dass Seán nur bei Gina einzieht, weil er nicht weiß, wo er sonst hin soll. Und dann: Alltag...

Und das ist es, dieses unbefriedigende Ende, das ich ein bisschen verdrängt habe, das ich noch einmal nachlesen musste, um über dieses Buch zu schreiben. Dieses Ende stimmt mich eigentlich sehr nachdenklich und ein bisschen wehmütig. Weil es den Übergang von einer heftigen leidenschaftlichen Liebesbeziehung hin zu einem Alltag beschreibt, von dem man nicht weiß: Hasst man ihn, weil das alles ist, was vom Besten, das man je hatte, übrig geblieben ist? Oder soll man ihn lieben, den Alltag? Weil Ruhe eingekehrt und der geliebte Mensch bei einem ist.

Auf diese Frage, die ich mir selber schon so oft gestellt habe, hat mir auch „Anatomie einer Affäre“ keine Antwort gegeben. Und ich glaube, eine Antwort auf diese Frage könnte ich ohnehin nur glauben, wenn sie tief aus mir selbst und aus tatsächlich erlebtem Leben kommt.

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