Das böse Mädchen

Mario Vargas Llosa
(aus dem Spanischen von Elke Wehr)

Jemanden zu lieben, der einem nicht gut tut, kann ich nachvollziehen. Wenn ich wirklich liebe, habe ich nicht die Kraft, mich abzuwenden und den notwendigen radikalen Schlussstrich zu ziehen. Andere können das – ich nicht. Deshalb kann ich den „guten Jungen“, der das „böse Mädchen“ liebt, so sehr verstehen. Und beim Lesen habe ich mit ihm mitgelitten – bis zum Schluss.

Als Teenager lernt der gute Junge in seiner Heimat Peru eine kleine Chilenin kennen und verliebt sich unsterblich in sie. Sie mag ihn auch, kommt ihm aber nie zu nah. Als sich herausstellt, dass sie gar keine Chilenin ist und alles über sie und ihr Leben erlogen war, verschwindet sie – ohne ein Wort zum guten Jungen.

Der lebt Jahre später in Paris, wovon er sein ganzes Leben lang geträumt hat. Dort trifft er das böse Mädchen wieder, das sich als Guerillera in Ausbildung ausgibt, um aus dem harten peruanischen Alltag herauszukommen. Als der gute Junge sich weigert, für sie kriminell zu werden uns sich mit ihr abzusetzen, kehrt sie nach Peru zurück und meldet sich nicht mehr.

Andere Frauen interessieren den guten Jungen nicht. Er ist Übersetzer und lebt ein ruhiges Leben. Seine einzige Abwechslung sind Reisen. Eines Tages trifft er in London das böse Mädchen wieder, das sich die Heirat mit einem reichen Engländer erschwindelt hat. Natürlich beginnen sie wieder ein Verhältnis miteinander, das aber auch nur von kurzer Dauer ist.

Das Spiel geht weiter, das böse Mädchen wird die Gefährtin eines noch reicheren Mannes aus Tokio – verstrickt in kriminelle Machenschaften. Als sie nach Paris zurückkehrt, körperlich misshandelt und verstümmelt, weiß der gute Junge zwar nicht, wie viel von ihrer haarsträubenden Geschichte er glauben soll, nimmt aber trotzdem einen Kredit auf, um die teure Behandlung für ihre Genesung zahlen zu können. Sie dankt es ihm, indem sie ihn heiratet – und dann wieder einmal verschwindet.

Um diesen spannenden Roman von Nobelpreisträger Llosa zu ertragen, muss man leidensfähig sein und gute Nerven haben. Oder einfach verstehen können, wie das ist, jemanden vollkommen selbstlos zu lieben. Zwar wütend zu sein, wenn das, was man gibt, nicht so zurückkommt, wie man es sich erhofft. Die zärtlichen Gefühle aber trotzdem nicht ganz abstellen zu können, und wahrscheinlich auch gar nicht zu wollen.

Lieblingszitat(e):
„Ich brauchte sie nur anzusehen, um mir über eines klarzuwerden: Obwohl ich wußte, daß jede Beziehung mit dem bösen Mädchen zum Scheitern verurteilt war, war das einzige, was ich mit im Leben mit derselben Leidenschaft wünschte, mit der andere sich Geld, Ruhm, Erfolg und Macht wünschten, sie zu besitzen, mit all ihren Lügen, ihrem Verwirrspiel, ihrem Egoismus und ihrem wiederholten Verschwinden.“

„Was war ich also? Vielleicht, was Mrs. Richardson mir bei ihren Wutanfällen sagte: ein armer Teufel, bloß ein Dolmetscher, jemand, der, wie mein Kollege Salomón Toledo uns gern definierte, nur ist, wenn er nicht ist, ein Hominide, der existiert, wenn er aufhört zu sein, was er ist, damit die Dinge, die andere denken und sagen, besser durch ihn hindurchgehen könne.“

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