Fuchserde

Thomas Sautner

Was bedeutet es, anders zu sein? Einen anderen Lebensstil zu pflegen, sich nicht den gängigen Normen der Gesellschaft unterzuordnen, sondern so zu leben, wie das die eigenen Vorfahren schon seit Urzeiten tun? Was bedeutet es, deswegen nicht gern gesehen zu sein, abgeschoben und nicht akzeptiert? Wer sind diese Menschen, die bis heute nicht nur am Rand unserer Gesellschaft leben sondern auch am Rand unserer Städte und Dörfer?



„Fuchserde“ erzählt die Familiengeschichte von Frida und Lois, Jenischen, Fahrenden aus dem Waldviertel, die sich ihren Lebensunterhalt als Scherenschleifer, Wahrsager und Besenbinder verdienen und seit jeher als Zigeuner, Gesindel und Kleinkriminelle gelten. Und Sautner erzählt auch die Geschichte der Familie Resulatti, ebenfalls Jenische, Zirkusleute aus Italien.

Die beiden Familien lernen sich eines Sommers kennen und beschließen, im nächsten „Hitzling“ gemeinsam auf Tour zu gehen. Maria und Peter, zwei der Kinder, verlieben sich sogar ineinander. Doch dann kommt alles anders, als der Nationalsozialismus in Europa salonfähig wird und nicht nur Juden zu Menschen zweiter Klasse werden sondern auch Roma, Sinti und Jenische.

Von den Jenischen habe ich das erste Mal gehört, als ich „Fuchserde“ empfohlen bekommen habe. Jetzt nachdem ich die Geschichten gelesen habe, die ein Großvater seinem Enkel, dem kleinen Fuchs, über dessen Familie und Vorfahren erzählt, weiß ich ein bisschen um den Stolz, die Weisheit und die Angst dieses Volkes.

Selten hat mich in den letzen Monaten ein Buch so bewegt wie „Fuchserde“ und so persönlich betroffen gemacht. Denn ich stamme aus einer Gegend im Südburgenland, in der Roma leben, die erst 1995 durch ein Attentat des Briefbombers Franz Fuchs erfahren mussten, wie unwillkommen sie sind.

Seit meiner Kindheit und immer noch ist da die Rede von den Zigeunern, die schmutzig sind, sich nicht um ihre Kinder kümmern, alle faul und dumm. Sie leben in ihrer Siedlung hinter dem Krankenhaus, wollen sich anscheinend nicht wirklich in das Gemeindeleben integrieren, wo sie aber auch kaum einer mit offenen Armen empfangen würde.

Kennengelernt habe ich bisher nur einen von ihnen, Stefan, der diesem Bild so gar nicht entspricht. Jeden Tag ist er im Parkcafe gesessen, das in meiner Teenagerzeit so etwas wie mein zweites Zuhause gewesen ist. Wir haben getratscht, Karten gespielt und mir war egal, welchen Familienhintergrund er hat. Und dann ist sein Sohn durch besagte Bombe ums Leben gebracht worden. Alle sind schockiert gewesen, empört, aber einen anderen Roma habe ich bis heute nicht kennengelernt...

Lieblingszitat:
„Der Zweifel eint die Menschen, mein kleiner, schlauer Fuchs, und die Überzeugung trennt sie. Hüte dich vor jenen Menschen, die ihre Überzeugung vor sich hertragen wie ein Zepter. Denn sie werden nicht zögern, auf andere damit einzuschlagen. Hüte dich vor ihnen, die ihre Überzeugung tragen wie eine Krone, denn sie beengt ihren Geist, und das macht sie unberechenbar und gefährlich. Sie fühlen sich erhaben; erhaben über andere Meinungen und also über andere Menschen.“

1 Kommentar:

  1. du hast ja so recht mit dem was du über oberwart und die zigeuner schreibst - sie wurden verdammt dort draußen zu wohnen und jetzt macht man es ihnen zum vorwurf - sie würden sich absondern...

    AntwortenLöschen