Empörung

Philip Roth
(Deutsch von Werner Schmitz)

Neulich war ich beim Finale des Protest Song Contest. War sehr lustig und die Gebrüder Marx haben verdient gewonnen. Aber Protest? Um wirklich gegen etwas zu protestieren, braucht es wahrscheinlich mehr Empörung. Und Philip Roth zeigt im gleichnamigen Roman, dass man durchaus zutiefst empört sein kann, auch wenn andere dazu gar keine Veranlassung sehen.

Marcus Messner ist braver Sohn eines koscheren Metzgers und fleißiger Student. Sein Vater, der von einem Tag auf den anderen vollkommen grundlos rasend vor Sorge um seinen Sohn ist, macht den jungen Mann wahnsinnig. Um den ständigen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, für die es nie einen Grund gibt, flieht Marcus an ein College in Winesburg im Norden von Ohio – irgendwo im nirgendwo, 500 Meilen entfernt von daheim.

Doch wer glaubt, dass Marcus dort seine Ruhe hat und studieren kann, hat sich getäuscht. Da ist Zimmernachbar Flusser, der um vier Uhr morgens laut Texte rezitiert, der neue Wohnungskollege Elwyn, der – eigentlich noch schlimmer – fast gar nicht spricht, Olivia, die Marcus beim ersten Date einen bläst, weil sie das so will, und Dean Caudwell, der sich Sorgen um Marcus’ Integrationsfähigkeit am neuen College macht. Und zu allem Überdruss ist Marcus wie jeder andere Student in Winesburg gezwungen, einmal in der Woche den Gottesdienst zu besuchen. Als Jude!

Und doch ist das Studium die einzige Chance, nicht eingezogen zu werden und an der Front im Korea-Krieg zu enden.

Dass ich dieses Buch zu Ende gelesen habe, ist schon ein paar Wochen her. Seitdem grüble ich darüber, was die Moral der G’schicht ist. Sich aufzulehnen und sein eigenes Leben zu leben? Ja, bis zu einem gewissen Grad. Auch mal zurückzustecken und sich selbst nicht so wichtig zu nehmen? Wohl auch wahr.

Auf jeden Fall zeichnet Philip Roth ein wunderschönes, empörtes Portrait einer Jugend zwischen Gehorsam und Selbstbestimmung, zwischen Strebsamkeit und Lust, voller Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten und voller Angst vor der Zukunft. Beim Lesen habe ich jede von Marcus’ Regungen mit gefühlt. So aufgeregt habe ich mich schon lange nicht mehr.

Lieblingszitat:
„Ich war ein sehr guter Student. Warum reichte das den Leuten nicht? Ich arbeite jedes Wochenende. Warum reichte das den Leuchten nicht? Ich konnte nicht mal meinen ersten Blowjob erleben, ohne mich dabei zu fragen, was wohl schiefgelaufen sein mochte, dass ich das erleben durfte. Warum reichte das den Leuten nicht? Was sollte ich denn sonst noch alles machen, um den Leuten meinen Wert zu beweisen?“

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