So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!

Tagebuch einer Krebserkrankung

Christoph Schlingensief

Was soll man schreiben, wenn einen ein Buch sprachlos zurücklässt? Wenn man weder nachvollziehen noch fassen kann? Christoph Schlingensiefs Dialog mit sich selbst hat mich unbeschreiblich gerührt und meinen Glauben erschüttert. Den Glauben daran, dass es die, die zurückbleiben, wenn jemand geht, schwerer haben.



An der Stelle, an der ich in meinen Buchbesprechungen normalerweise versuche, den Inhalt zu skizzieren, kann ich mich wohl diesmal kurz fassen. Christoph Schlingensief ist tot. Krebs.

In den Tagen, als er die Diagnose erfahren, als er gegen die Krankheit angekämpft und auch, als er den aussichtslosen Kampf unbewusst wohl schon aufgegeben gehabt hat, hat er viele seiner Gedanken einem Diktiergerät – und damit mir und allen, die es sonst noch interessiert – hinterlassen.

Dieses Buch ist eine Herausforderung gewesen. Die gesprochene Sprache hat mich oft sehr unmittelbar getroffen – wie wenn Freunde dir etwas erzählen und du vor lauter Schock und Mitgefühlt nicht antworten kannst, nicht weißt wie. Und doch viel brutaler. Gedanken, die nicht adressiert sind, nicht dazu gedacht, unmittelbar teilhaben zu lassen, um Antworten zu bekommen, oder Trost. Angst und Wut, die einen eben erst selbst überfallen haben.

Das Wissen um das Ende hat mich noch dazu von der ersten Seite an schuldbewusst an meiner Unterlippe kauen lassen. Als wäre ich diejenige, die der manchmal aufkeimenden Hoffnung, dem Lebensmut und dem Kampfgeist die Grundlage entzöge mit der Gewissheit, dass es schlussendlich zwecklos sein wird.

Und dann ist da natürlich die – wie immer – offen bleibenden Frage: Was kommt danach? Was wird sein, wenn ich einmal tot bin? Wird überhaupt etwas sein?

Das Buch war schrecklich, schrecklich gut, und ich kann es nicht bereuen, es gelesen zu haben. Denn auch, wenn es in mir die Angst zu sterben ein wenig geschürt hat, anstatt wie so viele Bücher über den Tod, Mut zu machen, bin ich mir wieder einmal bewusster geworden, wie schön das Leben doch ist. Und wenn es auch wie ein schnödes Klischee klingt, hat es mich in meiner Einstellung betätigt: Genieße jeden Tag! Mach das, was dich glücklich macht, auch wenn es schwierig ist! Habe Mut aber sei auch mal klein und schwach! Liebe und lass dich lieben! Lass dich voll ein auf das, was man Leben nennt!

Lieblingszitat:
„Wenn es tatsächlich nur zwei oder drei Jahre werden sollten, dann muss man die eben genießen. Hört sich gar nicht so schwierig an, aber wenn solche Gedanken konkret werden, ist das ganz schön komisch. Ich habe eben mal im Internet nach Häusern auf dem Land geguckt. Da stand bei einer Anzeige »Begrenzt bis 2011, verhandelbar«. Da habe ich gleich gedacht, 2011, das geht doch wunderbar. Länger muss es doch gar nicht sein. Wenn das nicht zum Heulen ist.“

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