Die Kunst der Freiheit

In Zeiten zunehmender Unfreiheit
Alexander Van der Bellen

Ein Buch über Freiheit? Die Freiheit ist ja mein Thema schlechthin. Nicht so sehr die Freiheit im Sinne des Nicht-Eingesperrt-Seins, ich meine damit eher die Pflichten, die man sich in einem eigenverantwortlichen Leben gibt und die Unabhängigkeit, die durch die Selbstbestimmung automatisch kommt. Aber sei’s drum! Das Wort macht mich auf jeden Fall aufmerksam. Und wenn das Buch über Freiheit auch noch von meinem Lieblings-Politiker Alexander Van der Bellen stammt, dann muss ich das lesen.

Und was soll ich nach der Lektüre sagen: Ich bin gescheiter geworden. Und das freut mich. Ich habe nämlich gern eine Meinung zu Dingen. Aber viele aktuelle Fragen sind mir – ja, ich gebe es zu – zu hoch. Die Griechenlandkrise? Die Flüchtlinge? Europa? Es scheinen zwar alle Stammtisch-Geher, Hausmeisterinnen und Regionalfußballer zu wissen, was zu tun wäre. Ich weiß es nicht. Und in Diskussionen halte ich mich deswegen zurück. Ich habe zwar ein Bauchgefühl, aber das reicht mir nicht, um große Worte in die Welt hinauszuposaunen.

Jetzt kann ich zumindest mitreden. Denn was ich an Alexander Van der Bellen so schätze, ist dass er ein eher ungewöhnlicher Politiker ist: Wirtschaftsprofessor, Quereinsteiger, Freidenker. Von ihm lasse ich mir gern Zusammenhänge erklären und neue Blickwinkel schmackhaft machen.

„Die Kunst der Freiheit“ ist keine Biographie. Vielmehr lässt Van der Bellen die Leserin (ich mache das mit dem Gendern jetzt einfach so nonchalant wie er: einmal die weibliche Form und einmal die männliche...) an seinem Wissen über und seiner Sicht auf Freiheits-Themen teilhaben. Meine Lieblings-Kapitel: „Krawatten und andere Konventionen“, „Liberale in der Politik“ und „Verspottungsfreiheit und die Folgen“.

Aber „Die Kunst der Freiheit“ ist auch eine Biographie. Kapitel (Ich mag die Titel, wie man merkt!) wie „Die Freiheit, die aus Büchern kam“, „Erweckungserlebnisse“ oder „Stadt- und Landluft“ lassen einen den Menschen hinter dem Politiker besser verstehen, den Tiroler mit Migrationshintergrund, den vermeintlich arroganten Professor, den Politiker, der nichts auf Medientrainings gibt.

Alexander Van der Bellen ist mir nach der Lektüre seines aktuellen Buches noch sympathischer geworden. Fast schon unangenehm sympathisch für einen Politiker. Und das, was ich mir beim Lesen noch gewünscht habe, passiert jetzt: er kandidiert für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten. Endlich mal eine Wahl, wo ich nicht zu überlegen brauche und aus Überzeugung wählen kann, statt nur das kleinste Übel. Wer noch eine Entscheidungshilfe braucht, dem sei „Die Kunst der Freiheit“ wärmstens empfohlen. Ein bisschen Zeit zum Lesen ist ja noch...

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