Martin Suter
Wer kennt ihn nicht,
den Wunsch die Zeit zurückzudrehen, um eine Entscheidung rückgängig zu machen,
die sich als falsch erwiesen hat. Oder zumindest als schmerzbringend. Denn was
ist schon falsch? Und was richtig? Und wer entscheidet das?
Peter Taler hat seine Frau Laura verloren. Sie wurde auf den
Stiegen vor ihrem Wohnhaus erschossen. Und Peter ist schuld, weil er sich mit
dem Öffnen der Haustür so lange Zeit gelassen hat. Das ist jetzt ein Jahr her
und vom Mörder fehlt jede Spur.
Diesen verhängnisvollen Abend wiederholt Peter seither immer
und immer wieder. Er kocht Spaghetti mit Tomatensauce, trinkt Antinori und
steht vor dem Fenster mit Blick auf Nachbar Knupps Haus. Irgendetwas war an dem
Abend vor einem Jahr anders gewesen.
Peter findet heraus, was ihn so irritiert: Knupps Garten
hatte sich damals über Nacht verändert. Und er verändert sich weiter. Oder
besser: vieles wird rückgängig gemacht. Der Buchs, der früher dort nicht stand,
entfernt, der japanische Zwergahorn gegen ein jüngeres, wenn auch sehr
ähnliches Modell ausgetauscht,...
Nachbar Knupp will nämlich die Zeit zurückdrehen. Oder
vielmehr glaubt er, dass Zeit nicht existiert. Wir haben – behauptet er – nur
durch die Veränderung den Eindruck, dass die Zeit vergeht. In Wahrheit passiert
alles gleichzeitig. Und wenn man die Veränderung rückgängig macht, ist auch
keine Zeit vergangen. Wenn Knupp also alles wieder so herstellen kann, wie es
damals war, dann findet der 11. Oktober 1991 noch einmal statt, und dann kann
er eine andere Entscheidung treffen. Dann kann er verhindern, dass seine Frau
stirbt.
Peter Taler findet Knupps Ideen verrückt. Das klappt doch
nie! Oder doch? Könnte er dann auch Laura wieder lebendig machen? Oder sich
zumindest seinen größten Wunsch erfüllen, ihren Mörder zu finden und zu
richten?
Obwohl ich „Die Zeit, die Zeit“ wirklich genossen habe, kann
ich nicht anders, als doch daran festzuhalten, dass es sie gibt, die Zeit. Viel
zu oft lebe ich in der Vergangenheit in meinen Erinnerungen. Und viel zu oft
male ich mir aus, was sein könnte, in der Zukunft. Und vergesse über der ganzen
Träumerei, die Gegenwart zu genießen.
Ganz im Hier und Jetzt zu sein, ist manchmal auch schwer. Wenn
man doch so gern den einen Augusttag noch einmal erleben möchte. Oder wenn
einem die Zeit nicht schnell genug vergehen kann. Und doch gibt es sie, die
Tage, die Abende, die Morgengrauen, an denen man gar nichts denkt. Nichts
wünscht. Nur ist. Und genießt.
Lieblingszitat:
„Dass sie ein Stück Leben ohne ihn geführt hatte, war nichts
Besonderes, das hatte er ja auch getan. Aber dass es eines gab, das sie gegen
ihn führte – er wusste nicht, wie er das verkraften sollte.“
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